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Dienstag, 15. Februar 2011

Dienstag, 15. Februar 2011

Das Vampirkostüm (Teil 1) – Was sich unter dem Mantel verbirgt

Bei einer Umfrage, welcher Horrorfigur man noch am liebsten bei Nacht auf einer einsamen Straße begegnen würde, wäre dem Vampir sicherlich ein Spitzenplatz sicher. Das liegt vor allem an seiner adretten Erscheinung. Denn wenn man schon das Opfer einer blutrünstigen Kreatur der Nacht wird, dann doch bitte von einer, welche sich nicht im fortgeschrittenen Stadium der Verwesung befindet und sich selbstständig die Hose zumachen kann, bzw. überhaupt erst einmal eine trägt.

Gewissermaßen als Ausgleich für Stil und Umgangsformen und der damit verbundenen Möglichkeit, sich zum großen Teil unbemerkt innerhalb der normalen Gesellschaft zu bewegen (versuche mal einen Zombie auf eine Gartenparty einzuschleusen, ohne dass es bereits in den ersten Minuten zu einem Eklat kommt), ist der Vampir jedoch durch eine unübersichtliche und regional divergierende Anzahl von skurrilen Naturgesetzen stark in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt und so verletzlich wie sonst kaum eine andere Horrorgestalt.

Lest dazu in diesem Artikel:

Der Vampir: Elegant, aber sehr verletzlich
Die Kleidung des Vampirs: Ein Totenhemd?
Der historische Vampir
Ein sonderbarer Edelmann – Der Vampir betritt die Bühne der feinen Gesellschaft
Der Vampir beißt sich in der feinen Gesellschaft fest
Vampire erobern die Leinwand
Das Vampirkostüm heute

Der Vampir: Elegant, aber sehr verletzlich

Während z.B. ein Zombie fast nur durch einen gezielten Schuss in den Kopf endgültig getötet werden kann und ein Werwolf sich eigentlich nur vor Silberkugeln fürchtet (übrigens beides Mittel, die auch bei einem normalen Menschen durchaus tödlich wirken), muss der Vampir seinen Wochenplan ganz genau durchdenken, will er nicht unverhofft in seiner Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt werden.

Als Wichtigstes verträgt der durchschnittliche Vampir kein Tageslicht. Er ist dazu verdammt, den Tag in bewegungsloser Starre in seinem Sarg zu verbringen und muss, will er nicht seine Kräfte verlieren, auf heimatlicher Erde gebettet sein. Möchte er ein fremdes Haus betreten, benötigt er dazu eine Einladung (was einen Theater- oder Kinobesuch schon mal etwas erschwert – ein Besuch in einem St. Pauli Stripteaselokal dagegen sollte kein Problem darstellen). Fließendes Wasser kann er nur bei eintretender Ebbe oder Flut überqueren. Er soll allergisch gegen Knoblauch sein. Wieso, ist nicht ganz geklärt. In Rumänien sagt man dann auch, dass derjenige, der sich Knoblauch um den Hals hängt, nur die nächste Mahlzeit des Vampirs würzt. Fest steht aber, dass der Vampir keine christlich-religiösen Symbole verträgt. Vor allem ein Kreuz vor seinem Angesicht kann er nicht ertragen. Ob dieses nun geweiht sein muss oder ob es reicht, einfach zwei herumliegende Äste übereinander zu kreuzen ist unklar. Ein Rosenzweig über seinem Sarg gekreuzt, hindert ihn, diesem zu entsteigen.

Die Herkunft vieler dieser Regeln ist unklar. Dr. Van Helsing, anerkannter Vampirjäger, bemerkt in Bram Stokers „Dracula“ dazu nur: „Wir wissen nicht, warum das so ist, aber es ist so.“ Bei dieser großen Anzahl von Schwachstellen ist es schon arg verwunderlich, dass der klassische aufgebrachte Mob und die vampirjagenden Gentlemen immer erst kurz vor Sonnenuntergang den Sarg des zu vernichtenden Blutsaugers erreichen, der meist überraschenderweise in der Gruft der Burg des Vampirs untergebracht ist. Jedoch muss man zugeben, dass die Eigenschaften und Fähigkeiten eines Vampirs von Geschichte zu Geschichte, bzw. von Zeit zu Zeit unterschiedlich sind. Dementsprechend variiert auch die Kleidung des Vampirs.


Die Kleidung des Vampirs: Ein Totenhemd?

Eines darf man nicht vergessen: Wie unterschiedlich die Vampire auch sein mögen, in den allermeisten Fällen sind sie erstmal vor allem eines – lebende Tote. Um des Nächtens aus seinem Grab entsteigen zu können, muss man vorher erst einmal beerdigt worden sein. Daraus folgt logischerweise, dass das Vampirkostüm ursprünglich vor allem ein Beerdigungsanzug – ein Totenhemd ist. Das würde auch die festliche Aufmachung der meisten Vampire erklären, denn die wenigsten Menschen werden in Jogginghose oder Arbeitskittel zur letzten Ruhe gebettet. Und von einem Vampir, der sich nach seiner Auferstehung als allererstes im nächstgelegenen Kaufhaus neu einkleidet, gibt es keine belegten Berichte. Auch wenn aufgrund der langen Untotenzeit eines Vampirs eine gelegentliche Erneuerung der Garderobe sicherlich unabdingbar ist. Aber wie wir später noch erfahren werden, neigen viele Vampire dazu, mental und modisch an ihrer jeweiligen Epoche festzuhalten, wobei dann die Frage gestattet sei, wo sie immer wieder diese schicken Umhänge her bekommen.

Da so ein schöner Beerdigungsanzug einiges kostet, gab es einige Zeit spezielle Anzüge für die Beerdigung in nicht ganz so detaillierter Ausfertigung mit einem freien Rücken (sieht man ja eh nicht, wenn der Tote im Sarg liegt). Obwohl sich diese Praxis nie richtig durchsetzen konnte und eher in den ärmeren Schichten verbreitet war, würde es erklären, warum viele Vampire einen dieser doch recht unpraktischen Umhänge tragen. Niemand friert gern am Rücken. Das ist aber ein Punkt, der in der Vampirforschung noch zu klären ist. Das Argument, dass der Umhang als eine Art Fluggerät dient, trifft eigentlich nur auf den „Kleinen Vampir“ zu, während die meisten anderen Vertreter es vorziehen, sich zwecks Fortbewegung in eine Fledermaus oder gar eine Nebelwolke zu verwandeln.

Aber Vampire waren nicht immer die Dandys der Horrorunterhaltung, sondern ursprünglich Untote, wie du und ich mit äußerst schlechten Manieren.


Der historische Vampir

Woher das Wort „Vampir“ stammt ist nicht geklärt. Es gibt Versuche, das Wort aus dem Türkischen und aus dem Polnischen herzuleiten. Im Allgemeinen wird heutzutage mit einem Vampir ein lebender Toter (Wiedergänger) bezeichnet, der den Lebenden das Blut aussaugt. In seinem Ursprung waren diese Merkmale jedoch noch nicht zwangsläufig miteinander verbunden.

Vampir-ähnliche Gestalten werden schon im Altertum erwähnt. Die griechischen Lamien z.B. sind gespenstische Frauen, welche Kinder und Jugendliche in eine Falle locken, um ihnen dann das Blut auszusaugen. Ähnlich gehen die Lemures vor, eine Art geisterhafter Gestaltenwandler. Sie töten Kinder, um ihnen anschließend dann ebenfalls das Blut auszusaugen. Solche vampiresken Gestalten kennt man fast überall auf der Welt. So gibt es in Armenien einen Berggeist namens Daschnavar, der Wanderern das Blut aus ihrer Fußsohle saugt. Den meisten dieser Wesen aus Sagen und Mythen fehlt jedoch das Merkmal des Untotseins, was sie aus heutiger Sicht noch nicht zu richtigen Vampiren macht.

Im Grabe festgenagelt

Auf der anderen Seite gibt es die vor allem aus dem osteuropäischen Raum stammenden Wiedergänger, welche tagsüber schmatzend in ihren Gräbern liegen und nachts in ihrem Heimatdorf die Verwandten heimsuchen. Die Furcht vor solchen Wiedergängern scheint jedoch schon seit Jahrtausenden zu existieren. Laut der Archäologin Anastasia Tsaliki wurden in Zypern 9000 Jahre alte Gräber gefunden, deren Insassen mit schweren Steinen auf Kopf und Brust eindeutig daran gehindert werden sollten, sich aus dem Grab zu erheben. Andere Maßnahmen, auf die Archäologen bei Ausgrabungen immer wieder stoßen, sind lange Nägel, mit denen der unruhige Leichnam im Sarg gehalten werden soll. Diese können bis zu 20 cm lang sein und wurden durch Hals, Becken und Fußgelenke in den Sargboden getrieben. Britische Archäologen berichten von Leichnamen mit Steinen im Mund. Auch die Leichen zu köpfen scheint eine durchaus gängige Methode gewesen zu sein, um die ewige Ruhe zu garantieren. Es soll Grabfunde gegeben haben, wo die Oberschenkel gekreuzt unter dem Schädel des Beerdigten gefunden wurden. Ja, so lässt es sich in der Tat schlecht aus dem Grab erheben. Man kann nur mutmaßen, wie viele gepfählte, enthauptete oder auf andere Art unschädlich gemachte „Vampire“ in historischen Grabstätten liegen.

Eine eindrucksvolle Beschreibung eines historischen Vampirs gibt uns der Regiments Feldscherer (Militärarzt) Johannes Fluchinger in seinem offiziellen Bericht über Vampirvorfälle in Medvegia in Servien im Jahre 1732:

„Um nun dieses Übel einzustellen, haben sie auf Einrathen ihres Hadnacks, welcher schon vorhin bey dergleichen Begebenheiten gewesen, diesen Arnold Paole in beyläuffig 40 Tagen nach seinem Tod ausgegraben, und gefunden, daß er gantz vollkommen und unverwesen sey, auch ihm das frische Blut zu denen Augen, Nasen, Mund und Ohren herausgeflossen, das Hemd, Übertuch und Truhe gantz blutig gewesen, die alte Nägel an Händen und Füssen samt der Haut abgefallen, und dagegen neue andere gewachsen sind, weilen sie nun daraus ersehen, daß er ein würcklicher Vampir sey, so haben sie demselben nach ihrer Gewohnheit einen Pfahl durchs Hertz geschlagen, wobey er einen wohlvernehmlichen Gächzer gethan, und ein häuffiges Geblüt von sich gelassen:…“

Dies bestätigt einmal mehr, dass der “wahre“ Vampir, wenn er des nächtens auf Erden lustwandelt, die Kleidung trägt, welche ihm bei seiner Beerdigung verpasst wurde. Wie im vorliegenden Fall, wird es sich dabei meistens um ein Totenhemd mit einem Übertuch (Leichentuch) gehandelt haben. Solche Vampire müssen mit ihren langen Hemden eher den Eindruck eines verwirrten Schlafwandlers, als eines vornehmen Wesens der Nacht vermittelt haben.

Ein Vampir verwest nicht?

Auch kann man getrost bezweifeln, dass die „wahren“ Vampire wirklich so angenehm dufteten, wie z.B. in der Erzählung „Carmilla“ beschrieben. Denn was der beflissene Feldscherer hier als Beweis für das vampirartige Naturell des vor 40 Tagen verstorbenen Arno Paole notiert und was sich in zahlreichen historischen Vampirberichten wiederfindet, die scheinbare unverweste Gestalt der Leichname, ist in Wahrheit Bestandteil des typischen Verwesungsprozesses.

Schematics of external human skin depicting its inner structure Provided by the medOCT-group at the Centre of biomedical Technology and Physics, Medical University Vienna License:Durch die Zersetzung des toten Körpers durch Fäulnisbakterien bläht sich der Körper auf. Die Oberhaut löst sich durch von Gasen ausgepresste Flüssigkeit vom Körper ab. Die Lederhaut wird sichtbar und wirkt frisch und neu – der Leichnam scheint lebendig. Verwesungsprozesse im Inneren erzeugen so genannte schmatzende Geräusche. Während der Fäulnis tritt Flüssigkeit über den Mund aus den Atemwegen heraus, die wie frisches Blut erscheint. Auch sorgt die Erdbestattung mit ihrer fehlenden Sauerstoffzufuhr dafür, dass der Leichnam acht Mal langsamer verwest, als an der Oberfläche. In Verbindung mit ausreichend Feuchtigkeit können die Körperfette zu Wachs erstarren und den toten Körper dauerhaft konservieren. In Amerika wurde 1892 – fünf Jahre vor dem Erscheinen von „Dracula“ – der letzte „Vampir“ exhumiert.

Nachzehrer rufen ins Grab

Brach in einem Dorf oder Landstrich eine epidemische Krankheit aus, welche die Bewohner in Scharen dahinraffte, so verdächtige man oft einen kürzlich Verstorbenen dafür, verantwortlich zu sein. Dieser soll sich nachts aus dem Grab erheben, um z.B. durch das Ausrufen des Namens eines der Dorfbewohner auch diesen unwiederbringlich ins Grab zu ziehen. Bekannt sind auch die sogenannten Nachzehrer. Dabei handelt es sich um Leichname, die ein Stück ihres Leichentuches zwischen ihre Zähne bekommen haben und dieses nun langsam Stück für Stück aufzehren. Während dies geschieht, ziehen sie nach und nach ihre Familie und die anderen Dorfbewohner ins Grab. Die Geräusche, welche der Nachzehrer beim Verspeisen seines Leichentuches macht, sind an der Oberfläche laut und deutlich als Kauen und Schmatzen zu vernehmen. Der evangelische Geistliche Michael Ranft weist bereits 1734 in seinem „Tractat von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern“ darauf hin, dass dieses sogenannte Kauen und Schmatzen wohl auf Verwesungsprozesse zurückzuführen sei. Unterbinden kann man das Nachzehren übrigens ganz einfach, indem man dem hungrigen Leichnam etwas zwischen die Zähne steckt. Zum Beispiel einen Stein oder eine große Grasnarbe. Daher soll auch die Redewendung „Ins Gras beißen“ stammen.

Und ihnen das Blut ausgesauget habe

Die Anzahl der sogenannten schädigenden Toten ist beträchtlich. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts häufen sich Berichte, in denen vampirartige Vorfälle offiziell untersucht weden. Parallel erscheinen Bücher, wie „Gelehrte Verhandlung der Materi von Erscheinungen der Geisteren, und denen Vampiren in Ungarn, Mähren etc.“ von Augustin Calmet, in denen Wissenschaftler und Theologen – zu dieser Zeit häufig noch ein und dasselbe – die Phänomene auf wissenschaftliche Art erklären wollen und so versuchen, dem Aberglauben Einhalt zu gebieten. Die meisten Erzählungen und historischen Berichte stammen übrigens aus Ungarn und Rumänien. Nicht alle sind nach unserem heutigen, literarisch geprägten Verständnis richtige Vampire. Häufig sitzen die Toten auch den Schlafenden auf und würgen sie am Hals, was nicht selten nach starken Schmerzen in der Brust zum Tode führt. Die Sagen und Mythen der Völker kennen zahlreiche Figuren, die den Menschen das Blut aussaugen. So ist in Rumänien z.B. das Wort für Vampir mit dem für den Werwolf identisch.

Aber erst in der Verbindung des Untotseins und des Bluttrinkens entsteht das, was wir heute als klassischen Vampir kennen. Dabei geht die Lebenskraft des Opfers durch das Aussaugen seines Blutes auf den Vampir über. Im Gegenzug werden die Eigenschaften des Vampirs auf den Spender übertragen. Bei dem oben beschriebenen Vampir aus dem Dorf Medvegia handelte es sich übrigens um einen bluttrinkenden Vampir. Denn wenig später heißt es weiter im Text: „Dann fügen sie hinzu, daß dieser Arnold Paole nicht allein die Leute, sondern auch das Vieh angegriffen und ihnen das Blut ausgesauget habe.“ Bald stellt sich heraus, dass zahlreiche Leute, die das Fleisch des betroffenen Viehs genutzt haben, wiederum von einem Vampir befallen wurden. Innerhalb von drei Monaten starben so 17 Menschen unterschiedlichsten Alters. Das ist natürlich kein Wunder, wenn man überlegt, wie rasch sich epidemische Krankheiten ausbreiten. Diese werden heutzutage im Allgemeinen als Ursache der „Vampirkrankheit“ betrachtet. Zusätzlich weiß man heute natürlich, dass man infizierte Leichname nicht ohne Ganzkörper-Schutzanzug und Atemmaske zerhacken und pfählen sollte. Denn wie man sich leicht vorstellen kann, ist die Pfählung eines mit Verwesungssäften aufgeblähten Leichnams eine spritzige Angelegenheit. Und schon gar keine gute Idee ist es, sich mit dem Blut eines Vampires einzustreichen oder zur Immunisierung sein Blut (Verwesungsflüssigkeit) zu trinken, wie es in einigen Landkreisen lange üblich war. Da kann man gleich einem Pestkranken einen Zungenkuss geben und hoffen, dass das gut für die Haut ist. Arnold Paole soll übrigens während seiner Militärzeit nach eigenen Angaben selbst ein untotes Wesen (welches ihn plagte) ausgegraben und verbrannt haben. Hat er sich in dem Moment mit dem Erreger infiziert, als er ihn eigentlich bekämpfen wollte? Gestorben ist er dann übrigens, indem er von einem Pferd fiel.

Insofern steht der „historische, wahre“ Vampir dem Zombie viel näher als dem Grafen Dracula. Er ist ein verwesender Leichnam, der jedem, der ihm zu Nahe kommt, den Tod bringt.


Ein sonderbarer Edelmann – Der Vampir betritt die Bühne der feinen Gesellschaft

Kein Wunder also, dass Literaten zunächst wenig Interesse hatten, über diese halb verwesten, wandelnden Krankheitserreger zu schreiben. Von solchen Vampiren lässt sich niemand gerne beißen. Und so betritt zur Erleichterung aller Freunde der vornehmen Abendgarderobe 1816 mit Lord Ruthven, in Lord Polidoris Erzählung „Der Vampyr„, eine neue Art von Vampir die Salons der feinen englischen Gesellschaft. „Es ereignete sich, daß mitten unter den Zerstreuungen eines Winters zu London, in den verschiedenen Gesellschaften der tonangebenden Vornehmen ein Edelmann erschien, der sich mehr durch seine Sonderbarkeiten, als durch seinen Rang auszeichnete.“ Über seine Kleidung wird zwar keine Bemerkung gemacht – nur seine grauen Augen und sein totenbleicher Teint werden erwähnt – man kann jedoch davon ausgehen, dass er den vornehmen Kreisen der Zeit entsprechend gekleidet ist. Mit Lord Ruthven verändert sich das Bild vom Vampir entscheidend und nachhaltig. Statt eines folkloristischen Wiedergängers betritt nun ein elegantes Monster von Welt die Bühne. Lord Ruthven gibt den desinteressierten Einzelgänger, was zur Folge hat, dass die Damenwelt von ihm fasziniert ist. Er pickt sich aber nur die tugendhaften und unschuldigen jungen Frauen heraus. Nicht, um sich an ihrer Tugend zu erfreuen, sondern sie anschließend genüsslich ins Laster zu stoßen. Wenn er verschwindet, bleibt meist eine entehrte und moralisch derangierte Frau mit einer nun mittellosen Familie zurück. Um so größer die gesellschaftliche Fallhöhe, um so höher ist sein Genuss.

Der neue Vampirtyp ist ein Verführer und sadistischer Genießer mit melancholischen Grundzügen. Mit ihm hält erstmals eine eindeutig sexuelle Komponente in das Vampirwesen Einzug. Die Erzählung wurde jahrelang Lord Byron zugeschrieben. Ihren Ursprung hat sie übrigens in der Nacht, in welcher die am Genfer See versammelte Gesellschaft um Lord Byron und Percy B. Shelley beschloss, sich die Zeit mit dem Ausdenken von Gruselgeschichten zu vertreiben. Zu Weltruhm gelangt die von der zukünftigen Frau von Percy B. Shelley, Mary Godwin, in jener Nacht begonnene Erzählung namens „Frankenstein„. Lord Byrons Geschichte über einen Vampir bleibt ein Fragment, wird jedoch von seinem Leibarzt Polidori Jahre später überarbeitet und veröffentlicht. Ihr Erfolg und Einfluss ist beträchtlich. Sicherlich auch, weil sie jahrelang dem populären Lord Byron zugeschrieben wird. Es folgen Übersetzungen ins Französische und Deutsche. Zahlreiche Nachahmer treten auf den Plan. 1820 hat in Frankreich das Theaterstück „Der Vampir“ Premiere. Das Stück ist ein großer Erfolg. Nach dem Tode des Darstellers von Lord Ruthven verweigert die Kirche diesem ein christliches Begräbnis, worauf sich eine protestierende Menge von 3.000 Demonstranten einfindet, die sogar verlangt vom Innenministerium angehört zu werden. Der Vampir ist auf einmal überall. Ein Kritiker schreibt dazu: „Kein Theater in Paris ist ohne seinen Vampir“. In Deutschland wird das Thema vor allem musikalisch verarbeitet. Im Jahr 1828 haben gleich zwei Opern mit dem Titel „Der Vampyr“ (und dem Untertitel: „Nach Lord Byron“) Premiere. Der neue Vampirtyp hat sich bis in die Ecken der Trivialkultur etabliert. Es folgen zahlreiche Theaterstücke, Romane und Erzählungen, aber auch zunehmend Schwänke und Parodien.


Der Vampir beißt sich in der feinen Gesellschaft fest

Während der russische Schriftsteller A.K. Tolstoi seine klassische Vampirgeschichte „Die Familie des Vampirs“ oder „Die Familie des Wurdalak“ (1839) noch in einem dörflichen Ambiente im Moldawien spielen lässt, tummeln sich die Blutsauger zwei Jahre später in seiner Erzählung „Der Vampir“ bereits auf einem Ball in vornehmen Kreisen und sind Generalin und Staatsrat. Erkennen kann man einen Vampir, laut des ebenfalls anwesenden Vampirexperten Rybarenko, daran, dass sie mit der Zunge schnalzen, wenn sie sich begegnen. Wobei das weniger nach einem Schnalzen, sondern vielmehr so klingt, als sauge jemand eine Apfelsine aus. Gekleidet sind sie nach dem Stand der Mode, wobei sich die ältere (und laut dem vampirgeschädigten Rybarenko eigentlich längst verstorbene) Generalin gern über die Mode der heutigen Jugend mokiert: „Ja, ja, zu meiner Zeit war das anders! Da war die Jugend noch nicht so eitel, da hörte sie noch mehr auf die Alten. Solche albernen Fracks trug man noch nicht, aber deshalb waren wir doch auch nicht schlechter gekleidet als ihr!“ Wesentlich festlicher gekleidet sind sie jedoch, als sie sich eines Nachts zusammenfinden, um der süßen Enkelin der Gräfin das Blut auszusaugen: „Jetzt bemerkte Runewskij, daß die Generalin ein blutrotes Gewand trug, auf dessen Brust eine große schwarze Fledermaus gestickt war. Auf der Rüstung Telajews war ein Uhu abgebildet und den Helm schmückten zwei mächtige Uhuflügel.“

Mit der Vampirin Gräfin Karnstein (aka Millarca, aka Carmilla) betritt 1872 in der Novelle „Carmilla“ sogar die erste lesbische Vampirin die Bühne. Sie macht auf den ersten Blick gar nicht den Eindruck eines klassischen Vampirs, sondern wird als ungewöhnlich groß mit einer schlanken und graziösen Figur beschrieben. Ihr Teint ist lebhaft und strahlend und sie besitzt üppiges, langes Haar. Ihre Augen sind groß, dunkel und glänzend. Sie verwandelt sich nicht in eine Fledermaus, sondern in ein Katze, und auch das Sonnenlicht scheint ihr verhältnismäßig wenig auszumachen. Sind also Frauen die besseren Vampire?

Dracula – Der König der Vampire

Auf jeden Fall hat die Erzählung einen großen Einfluss auf Bram Stoker, der mit seinem Tagebuch-Roman „Dracula“ 1897 den König der Vampire und vorläufigen Prototypen des Vampirs erschafft. Er macht auf den ersten Blick einen nicht ganz so eleganten Eindruck wie Lord Ruthven. Jonathan Harker beschreibt ihn in seinem Tagebucheintrag als hochgewachsenen, alten Mann, glatt rasiert mit einem langen weißen Schnurrbart. Mina fügt später hinzu (der Graf hat sich mittlerweile etwas verjüngt), dass er ein spitzes Kinn und eine Adlernase habe. Außerdem besitzt er ein zugleich grausames und sinnliches Gesicht. Was die Kleidung betrifft, trägt Dracula ausnahmslos schwarz, so dass man keinen hellen Fleck an ihm sehen kann.

Mit Lord Ruthven war der Vampir auf dem vorläufigen Höhepunkt seiner Macht. Ein Schauspiel an Überlegenheit und Eleganz, zynischer Selbstsicherheit und leichter Melancholie. Eine Läuterung und Bestrafung am Ende bleibt aus. Das Böse triumphierte mit einem Lächeln. In „Dracula“ wird der dunkle Verführer wieder auf ein irdisches Maß zurechtgestutzt. Die Erotik des Bisses ist nur noch verschämt angedeutet. Der Vampir wird zu einer altertümlichen Kreatur. Gefangen in einem Netz voller Regeln, versucht er sich in der neuen Zeit zurecht zu finden. Ihm entgegen tritt die wichtigste inhaltliche Neuerung in Bram Stokers Roman: Der ewige Widersacher Van Helsing. Er entwickelt sich zur eigentlichen mächtigen Figur. Ungebunden und frei, mit dem modernen und altem Wissen gleichermaßen ausgestattet, dirigiert er seine jungen, kräftigen Helfer. Seinen Wissensvorsprung behält er stets für sich und beschwört stattdessen einen übermächtigen Gegner, gegen den die Gruppe sich unter seiner Führung zur Wehr setzen muss. Eine monströse Figur, gegen die der wahre Dracula ein wenig wie ein verwirrter Geist aus einer vergangenen Zeit wirkt, als eine ernsthafte Bedrohung.

Bei der schwarz-weißen Kleidung von Dracula (die in den Folgejahren zum Synonym für den Vampir wird) bleibt es dann auch noch einige Jahrzehnte. Denn nun beginnt das Zeitalter des Films. Auf ihm können die Zuschauer in aller Welt nun erstmals den Vampir auch wirklich sehen. Er agiert nicht auf einer Theaterbühne, sondern wird von zahlreichen Spezial-Effekten und eindrucksvoller Kulisse in seinem natürlichem Element begleitet. So verfestigt sich auch die Vorstellung über die Kleidung eines Vampirs. Es ist zunehmend jene, welcher er im Film trägt.


Vampire erobern die Leinwand

Den ersten wirklichen Meilenstein dieser Art setzt 1922 die nicht autorisierte „Dracula“-Verfilmung „Nosferatu“ mit ihrem beeindruckenden Hauptdarsteller Max Schreck. Eine groteske, bleiche Gestalt mit langen Fingernägeln, riesigen Ohren und Nase, markanten Augenbrauen und tiefschwarzen Augenrändern. Gekleidet ist er aristokratisch vornehm und fremdländisch zugleich. Er trägt groteske Mützen und meist einen langen Gehrock mit einer eindrucksvollen Doppelreihe an Knöpfen. Eine gelungene Verbindung von militärischer Strenge und vornehmer Exzentrik. Diese verschrobene Figur blieb aber für lange Zeit eine Ausnahme.

In der ersten autorisierten „Dracula“-Verfilmung von 1931 sieht man den Ungarn Bela Lugosi in der Hauptrolle. Das Gesicht ist nun ein mehr menschliches. Kräftig und breit, jedoch scharf geschnitten. Obwohl sein Schloss am totalen Rande des Verfalls steht und sich offensichtlich schon seit Jahrzehnten niemand mehr die Mühe gemacht hat, die riesigen Spinnweben aus den Ecken zu entfernen, empfängt der Graf seinen Besucher in eleganter, zeitgenössischer Kleidung, in der sich bereits ein Hang zur karnevalesken Theatralik bemerkbar macht. Er trägt eine helle Weste und um den Hals einen Anhänger, der aussieht wie eine Kreuzung aus Hexagramm und preußischem Verdienstorden. Dieser sollte aber schon bald einer Umhangschleife weichen. Um die Schulter trägt er einen unpraktischen Umhang mit dem Stehkragen, der später so charakteristisch für jedes Vampirkostüm wird. In der Tat erfüllt der Umhang nur den Zweck, dass sich sein Besitzer mit den stechenden Augen im richtigen Moment eindrucksvoll darin einhüllen kann. Der Film ist nicht zuletzt wegen Lugosis düsterer Ausstrahlung ein großer Erfolg und kommt auf nicht weniger als vier Fortsetzungen. In diesen verfestigt sich Draculas Vorliebe für Umhänge mit Stehkragen und einer Alltagskleidung, welche sich vor allem an den Bedürfnissen für den Besuch eines Maskenballs zu orientieren scheint.

Es leuchtet Rot

Im wahrsten Sinne noch bunter treiben es einige Jahre später die Kollegen der legendären, britischen Filmproduktionsfirma Hammer. Sie drehen ihre Filme in Technicolor und verleihen dem ehemaligen Fürsten der Dunkelheit eine bisher ungekannte Farbpracht. Sogar das Blut leuchtet in einem strahlenden Rot, welches hart an Orange vorbeischlittert. Draculas Äußeres verfestigt sich in Form einer großgewachsenen, markanten Erscheinung (dargestellt von Christopher Lee) mit schwarzer Abendkleidung und dem obligatorischen Umhang, aus dessen Innenfutter es nun (ab „Draculas Rückkehr„, 1968) strahlend rot leuchtet. Der Film ist ein großer Erfolg. Es folgen nicht weniger als fünf Nachfolger, in welchen die äußere Erscheinung von Dracula nun endgültig festgeschriebe und sie immer weiter ins Karikaturenhafte verzerrt wird. Zumal die Hammer-Filme, bei aller Liebe zu Detail und Farbenpracht, aufgrund des begrenzten finanziellen und produktionstechnischen Aufwandes in den Actionszenen oft in unbeabsichtigte Komik kippen.

Dracula als Witzfigur

Wie sehr der Vampir jener Zeit an seinem liebgewordenen Vampirkostüm hängt, zeigt einmal mehr die Hammer-Produktion „Dracula jagt Minimädchen“ aus dem Jahre 1972. In diesem (durchaus ernst gemeinten) Film, erwacht Graf Dracula im London der wilden sechziger Jahre. Verständlicherweise denkt er jedoch nicht daran, sich mit Schlaghosen und Rüschenhemd einzukleiden, sondern bleibt seinem mittlerweile klassischen Outfit treu. Kein Wunder also, dass er nie die Kirche verlässt, in der er seinen Sarg aufgestellt hat, sondern sich seine Opfer von willigen Helfern zutreiben lässt. Dennoch erscheint der steife Dracula im swingenden London natürlich lächerlich deplatziert. Seine ehemals erotische Ausstrahlung wirkt in Zeiten der sexuellen Befreiung nur altbacken und verklemmt. Dracula ist endgültig zur Witzfigur geworden. Dennoch, oder gerade deswegen, haben Dracula-Verfilmungen aber noch einmal Hochkonjunktur. In Filmen wie „Die Nacht der offenen Särge“ oder der Blaxploitation-Version des Dracula-Stoffes „Blacula„, feiert das klassische Vampirkostüm große Auftritte. Die Zeit der aufwändigen Dracula-Verfilmungen ist jedoch vorbei. Bis circa Mitte der Achtziger dominieren vor allem Sex- und Trashversionen des Vampirthemas den Filmmarkt, welche dem Äußeren des Vampirs nichts Neues hinzufügen. Außer, dass sie den zunehmend weiblichen Vampiren lediglich einen Umhang als Bekleidung lassen.

Der Vampir kommt in die Flegeljahre

Das ändert sich erst wieder im Jahre 1987 als mit „Near Dark“ und „The Lost Boys“ gleich zwei Filme in die Kinos kommen, in denen die Blutsauger das Vampirkostüm des Großvater Dracula in die Altkleidersammlung gegeben haben und nun als abgerissene Punks und New Wave-Kids durch die Gegend streunen. Von Eleganz und vornehmer erotischer Ausstrahlung keine Spur mehr. Im Stile der Zeit stylen sie ihre Haare hoch, tragen Jeans und schmücken sich mit Sicherheitsnadeln die Ohrläppchen. Sie besitzen die Rast- und Gnadenlosigkeit eines Teenagers in den Flegeljahren, gepaart mit der Energie eines wilden Tieres. Alte Beschränkungen gelten für diese Art von Vampir kaum noch. In „The Lost Boys“ verzerren sich die Gesichter der angreifenden Vampire und werden zu geifernden, tierischen Fratzen. Auch die Verwendung von farbigen Kontaktlinsen kommt hier erstmals zum Einsatz. Die Mehrheit der Kinozuschauer fand jedoch eher wenig Gefallen an den rabaukigen, grell-düsteren Gegenwartsvampiren. Von einem Vampir sollte man doch wenigstens erwarten, dass er sich höflich vorstellt, bevor er einem in den Hals beißt.

Ganz ohne Nachfolger blieben die Punks aus „Near Dark“ aber nicht. In seinem tarantinoesken Mystik-Roadmovie-Comic „Preacher“ erschuf der irische Comicautor Garth Ennis die Figur des Herumtreibers Cassidy. Ein trinkfester, irischer Vampir mit Sonnenbrille und Jeansjacke, der tagsüber unter der Plane seines Vans schläft und auch nicht davor zurückschreckt, seine besten Freunde zu verraten.

Der romantisch-nachdenkliche Liebhaber

Der dominierende Vampirtyp aber ist seit Anfang der neunziger Jahre der Typ des romantisch-jugendlichen Liebhabers mit melancholischer Note. Einer der ersten Höhepunkte dieses Vampirtrends ist Francis Ford Coppolas opulente „Dracula“-Neuverfilmung aus dem Jahr 1992, mit der es einem Filmemacher seit langem einmal wieder gelang, dem Vampirkostüm neue Impulse zu verleihen und ein neues, charakteristisches Erscheinungsbild für Dracula zu kreieren. Und das gleich in doppelter Hinsicht. Im ersten Teil des Filmes, in Transsylvanien, erscheint der alte Dracula als groteske, degenerierte Erscheinung. Bleich, mit langen Fingernägeln und einer exzentrisch obskuren Frisur. Ein Dracula, der sich vor dem legendären Graf Orlok aus „Nosferatu“ wahrlich nicht verstecken muss. Wesentlich prägender ist jedoch der verjüngte Dracula, der als eleganter, junger Gentleman durch London spaziert und dem die Damen hinterherschauen. Abgerundet wird die adrette Erscheinung durch eine gepflegte Langhaarfrisur und eine neckische, farbige Rundbrille, wie sie auch John Lennon gefallen hätte.

Durch den Film wurde das Genre zunehmend wieder für ein junges weibliches Publikum interessant. Auch Leute aus der Gothic-Szene konnten sich mit diesem eleganten und nachdenklich melancholischen Wesen der Nacht viel besser identifizieren, als mit motorradfahrenden Halbstarken. Zumal Coppola wieder verstärkt die sexuelle und sehnsuchtsvolle Beziehung zwischen Vampir und Opfer in den Mittelpunkt stellt. Dracula und Mina haben in seiner Version im Grunde eine Liebesbeziehung, der Van Helsing und seine Gehilfen kaum etwas entgegenzusetzen haben, die aber aufgrund der gesellschaftlichen Umstände zum Scheitern verurteilt ist.

Noch konsequenter verbindet die amerikanische Schriftstellerin Anne Rice mit ihrem 1973 begonnenen Roman-Zyklus „Chronik der Vampire“ die Figur des klassischen Vampirs mit romantischen Sehnsuchtsmomenten. Ihre Vampire leben, lieben, genießen und leiden durch alle Zeiten der Epochen. Auch in der Gegenwart, wobei sie nie ihr vornehmes und gleichsam rauschhaftes Wesen ablegen. Zwischendurch wird die Hauptfigur, der Vampir Lestat, sogar zum Rockstar. „Der Vampir war ganz und gar weiß und glatt, als wäre er aus weißem Knochen geschnitzt, und sein Gesicht war unbewegt wie das einer Statue, die beiden leuchtendgrünen Augen ausgenommen, die den Jungen ansahen wie Flammen in einem Totenschädel. Doch dann lächelte er fast wehmütig, und in der glatten weißen Fläche seines Gesichts zeigten sich feine Linien wie in einer Zeichnung.“ Gekleidet ist der so im ersten Teil „Interview mit einem Vampir“ beschriebene Vampir Louis, in einem tadellos geschneiderten Rock und einem langen Umhang, der Falten wirft – was nicht unbedingt nach zeitgenössischer Mode klingt. Dazu eine schwarze Seidenkrawatte und einen glänzend weißen Kragen. Sein volles, schwarzes Haar hat er in Wellen über das Ohr zurückgekämmt. Sich der optischen Fragwürdigkeit eines Umhanges bewusst, steckt man bei der sehr erfolgreichen Verfilmung des Stoffes Brad Pitt dann lieber auch in einen schicken zeitgenössischen Anzug und verabreicht ihm ein paar Kontaktlinsen. Der etwas weinerliche Anne Rice-Vampir-Typ wird so erfolgreich und ist zeitweilig so allgegenwärtig, dass es sich auch Garth Ennis nicht verkneifen konnte, seinen Outlaw-Vampir Cassidy in einem Special auf ein paar Jugendliche treffen zu lassen, die gerne Vampire sein möchten und eindeutig zuviel Anne Rice gelesen haben. Und er lässt keinen Zweifel daran, was er von ihnen hält.


Das Vampirkostüm heute

Längst ist für den ernsthaften Vampir der klassische Umhang mit Stehkragen passé. In der Filmreihe „Underworld“ wirbeln Vampire in stylischen Lederganzkörperanzügen in Matrix-Manier durch die Luft. Die Vampire der heutigen Zeit sind in Cliquen oder Clans organisiert. In Guillermo del Toros Verfilmungen des Comics „Blade“ scheinen sie in lässig cooler Pose sogar die eigentlichen Herrscher der Stadt zu sein. Als Gegengewicht taucht im zweiten Teil ein lichtscheues, tierisches Vampirgesindel auf, welches sich optisch mit seinen Glatzen und spitzen Zähnen wieder eher an Urvater Nosferatu orientiert. Bereits sechs Jahre davor erschaffen die Hollywood-Rabauken Robert Rodriguez und Quentin Tarantino in „From Dusk Till Dawn“ Vampire, die sich zwar erst sexy geben, sich aber alsbald in blutrünstige Bestien verwandeln, die so gar nichts mit Anne Rices edlen Geschöpfen der Nacht zu tun haben. Aber auch dieser Typ weigert sich hartnäckig, vom Bildschirm zu verschwinden. Zu erkennen ist er durch ein blasses Äußeres, lange dunkle Haare und Kontaktlinsen. Der ursprüngliche Umhang ist durch einen bis zum Boden reichenden, langen Mantel, der bei Bedarf zugeknöpft wird, ersetzt worden. Außerdem zeichnet sich diese Spezies durch eine gewisse pseudo-philosophische Geschwätzigkeit aus. Meist über das Wesen des Bösen oder Ähnliches. Zu erleben sind solche Exemplare u.a. in den Trashgranaten „Vampire“ von John Carpenter oder „Van Helsing„. Aber auch im düsteren „30 Days of Night“ ist eine Variation dieses Typs zu besichtigen.

In den letzten Jahren dominieren aber die Teenager-Vampire eindeutig das Vampir-Genre. Angefangen bei der Ende der Neunziger sehr erfolgreichen Fernsehserie „Buffy„, welche erstmals eine Teenager-College-Serie mit Vampiren kombiniert. Die Vampire zeichnen sich hier vor allem durch eine in Falten gezogene Stirn aus. Als wenn sie beim Nachdenken schlechte Laune bekommen hätten. Allein der Obervampir erinnert einmal mehr an den guten, alten Graf Orlok. Endgültig ins Genre der Teenager-Soaps überführt die Vampire dann die Autorin Stephenie Meyer mit ihrer „Twilight“-Serie. Hier erinnert nun, bis auf die kleinen, spitzen Beisserchen, gar nichts mehr an den klassischen Vampir. Sogar bei Tageslicht können sie unbekümmert durch die Gegend spazieren. Lediglich eine Art Schimmern auf der Haut erinnert noch an die ehemalige Sonnen-Unverträglichkeit ihrer Vorfahren. Beschäftigt sind sie vor allem damit, zur Uni zu gehen und keinen Sex zu haben.

Aber eines ist klar. Untote sind nicht tot zu kriegen. Horrorfiguren spiegeln in gewisser Weise immer die Wünsche, Ängste und Strömungen der jeweiligen Zeit wieder. So steht außer Frage, dass der Vampir sicherlich bald wieder das College verlassen wird. Und so warten wir neugierig, in welcher Gestalt und in welchem Vampirkostüm sich die Vampire der nächsten Generation präsentieren werden. Seien sie nun Grafen, Monster oder verhinderte jugendliche Liebhaber.

Nächste Woche: „Das Vampirkostüm (Teil 2) – Ein Spaziergang durch die Vampirmode der Filmgeschichte

 

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